Fast jede zweite Frau wird im Netz attackiert
Am 25. November ist Orange Day, der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“. Der jährlich stattfindende Aktionstag bekämpft die Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen. Die zunehmende Digitalisierung eröffnet völlig neue Räume für Gewalt.
„Ob sexistische, frauenfeindliche, beleidigende oder bedrohende Kommentare – für viele Mädchen und Frauen sind sie inzwischen Teil ihres Online-Alltags.“ [1]
– Bundesregierung –
Durch die zunehmende Digitalisierung nimmt auch die digitale Gewalt zu. Diese trifft in den allermeisten Fällen Frauen und Mädchen. Offizielle Zahlen und Statistiken zu digitaler Gewalt gegen Frauen gibt es nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass diese sich stark verbreitet. So hat eine Studie von Amnesty International herausgefunden, dass fast ein Viertel aller befragten Frauen bereits mindestens einmal digitale Gewalt erfahren haben[2]. HateAid, die erste Beratungsstelle Deutschlands gegen Hass im Netz, schreibt sogar von jeder zweiten Frau, die im Netz attackiert und zur Zielscheibe digitaler Gewalt wird[3].
Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) – Frauen gegen Gewalt e.V. definiert digitale Gewalt als einen „Oberbegriff für Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt, die sich technischer Hilfsmittel und digitaler Medien (Handy, Apps, Internetanwendungen, Mails, etc.) bedienen und/oder geschlechtsspezifische Gewalt, die im digitalen Raum […] stattfindet.“[5]
Hier sind einige der Erscheinungsformen digitaler Gewalt[6]:
Cyberstalking
Cyberstalking ist die digitale Form des „analogen“ Stalkings. Es findet eine ungewollte Kontaktaufnahme durch E-Mails, Chat- und Messenger-Nachrichten, über soziale Netzwerke und digitale Medien statt. Auch das Ausspionieren des Computers oder Orten des Smartphones mittels Spyware zählt dazu.
Cyberstalking tritt häufig als (Ex-)Partnerschaftsgewalt und in Trennungssituationen oder nach Trennungen auf, um Kontrolle und Macht zu erhalten.
Bildbasierte sexualisierte Gewalt
Der Ex-Partner damit droht, private und intime Bilder zu veröffentlichen? Hierbei handelt es sich nicht nur um einen massiven Vertrauensbruch, sondern in vielen Fällen auch um eine Straftat. Auch Außenstehende könnten durch „geleakte“ Clouds an intime Aufnahmen gelangen. Daneben besteht durch neue Technik (z.B. Videokameras, Webcams) die Möglichkeit von bildlichen Aufnahmen in geschützten Räumen wie Umkleidekabinen, aber auch in der privaten Wohnung.
Cybermobbing
Schikane, Ausgrenzung, Beleidigung oder Spott durch E-Mails, Messenger-Nachrichten und Posts in sozialen Netzwerken ist Cybermobbing. Dieses Online-Mobbing geschieht häufig im Kontext von Schule oder Arbeitsplatz und setzt sich über einen längeren Zeitraum fort. Personen, die entsprechende Posts oder Videos liken und teilen werden hier zu Mittäterinnen und -tätern.
Identitätsdiebstahl
Zum Identitätsdiebstahl im Netz gehört das Posten im fremden Namen. Diese Form des Identitätsdiebstahls kommt häufig im Zusammenhang mit Cyberstalking und -mobbing vor. Auch die Bestellung von Waren auf einen anderen Namen und Rechnung gehört dazu. Hier spricht man auch von Identitätsmissbrauch.
Doxing
Doxing ist eine Wortschöpfung, die dem Englischen entlehnt ist und sich aus „documents“ und „tracing“ zusammensetzt. Gesammelte private Daten wie Adresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse und Arbeitsplatz werden im Internet veröffentlicht. Häufig sind Menschen betroffen, die sich im Netz politisch äußern, vor allem zu Themen wie Rassismus und Feminismus. Es kann aber auch im privaten Bereich erfolgen, z.B. als Rache nach Trennungen.
Hatespeech
Hatespeech oder auch Hassrede bezeichnet die öffentliche Beschimpfung, Beleidigung und Bedrohung von Menschen im Netz. Auch Aufrufe zu Gewalt, Vergewaltigungsandrohungen und Aufforderungen zum Suizid gehören dazu.
Weitere Erscheinungsformen sowie Ratschläge zum Vorgehen für Betroffene sind in der Broschüre „Digitale Welten. Digitale Medien. Digitale Gewalt“ des bff zu finden.
Die immer größer werdende Bandbreite der digitalen Kommunikation erleichtert Angriffe. Eines haben die meisten der Angriffe im Netz und der digitalen Gewalt gemeinsam – die Täter und Täterinnen bleiben zumeist anonym. Die Gewalt findet rund um die Uhr statt und kann vor allem im Netz ein großes Publikum erreichen. Die Beweggründe der Täter und Täterinnen sind vielfältig und reichen von Demütigung und Rufschädigung bis Wunsch nach sozialer Isolation des Opfers.
Für die betroffenen Frauen und Mädchen kann die digitale Gewalterfahrung schwerwiegende psychische und physische Folgen haben. Opfer leiden unter Angst-, Schuld- und Schamgefühlen, starkem Vertrauensverlust oder Erschütterung des Selbstwertgefühls. Auch Erkrankungen wie Panikattacken, Depressionen oder Suizidgedanken treten häufiger auf[6].
Digitale Gewalt ist oft eng verknüpft mit „analoger“ Gewalt. Die reale Gewalt wird im digitalen Raum fortgesetzt. Wichtig zu betonen ist immer: Das Opfer digitaler Gewalt ist nicht schuld an dem, was ihr (oder ihm) passiert!
Quellenangaben
[1] Bundesregierung (https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/gegen-digitale-gewalt-frauen-1800444, abgerufen 25.11.2021)
[2] Amnesty International (https://www.amnesty.org/en/latest/press-release/2017/11/amnesty-reveals-alarming-impact-of-online-abuse-against-women/, abgerufen 25.11.2021)
[3] HateAid (https://hateaid.org/dsa/#9-mehr-schutz-vor-digitaler-gewalt-hateaid-fordert-eu-zum-handeln-auf-sei-dabei, abgerufen 25.11.2021)
[4] Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt e.V. (https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/infothek/digitale-gewalt/was-ist-das.html, abgerufen 25.11.2021)
[5] Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt e.V. (https://www.aktiv-gegen-digitale-gewalt.de/de/digitale-gewalt/identitaetsdiebstahl/was-ist-identitaetsdiebstahl.html, abgerufen 25.11.2021)
[6] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (https://staerker-als-gewalt.de/gewalt-erkennen/digitale-gewalt-erkennen, abgerufen, 25.11.2021)
Hilfsangebote
Hilfetelefon: Gewalt gegen Frauen
08000 116 016
www.hilfetelefon.de
Fachberatungsstellen
www.frauenhauskoordinierung.de
Weiterführende Links
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
www.staerker-als-gewalt.de
Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt e.V.
www.frauen-gegen-gewalt.de
www.aktiv-gegen-digitale-gewalt.de
HateAid: Gegen Hass im Netz
www.hateaid.org